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Beitrag von Conny Renkl zum Thema Faschismus und die Rolle der AfD

1) Was sind Kriterien zur Begriffsbestimmung des Faschismus – und wodurch zeichnen sich faschistische Parteien sowie Bewegungen aus?

Sehen wir uns zunächst an, wie die herrschende bürgerliche Ideologie an diese Begriffsbestimmung herangeht. Alle bürgerlichen Faschismustheorien versuchen zu verfälschen oder abzulenken

– von der Beziehung des F. zum Kapitalismus, besonders zum Monopol- bzw. Finanzkapital

– dass der F. ein Ausdruck des Klassenkampfs in der Epoche der Allgemeinen Krise des Kapitalismus ist, also in der Epoche des Niedergangs des Imperialismus, in der Epoche der Kriege und Revolutionen und am Vorabend des Übergangs zu einer höheren Gesellschaftsform auf der Grundlage der riesenhaft gewachsenen Vergesellschaftung der Produktivkräfte;

– dass der F. nicht nur Ausdruck der Schwäche der Bourgeoisie ist mit den konventionellen Mitteln zu herrschen, sondern auch Ausdruck der Offensive des Kapitals ist, um die Krisenlasten vollständig auf die Werktätigen abzuwälzen und den Krieg um die Neuaufteilung der Welt mit Absatzmärkten, Rohstoffquellen und Einflusssphären in Angriff zu nehmen.

Stattdessen soll der F. einem durchgeknallten Führer oder dem Kleinbürgertum oder der Arbeiteraristokratie/Sozialdemokratie („Sozialfaschismus“) oder dem Deutschen oder dem Ausmaß der Brutalität oder dem Bösen an sich zugeschrieben werden. Während der Faschismus an der Macht nichts anderes ist als „die Macht des Finanzkapitals selbst“. Und eben nicht eine über den Klassen stehende „Volksgemeinschaft“. [1]

Dem entgegen steht die Aussage von Dimitroff auf dem 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale: „Der Faschismus an der Macht, Genossen, ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“

Historisch betrachtet ist das m.E. immer noch die zutreffende Klärung und zutreffende Verallgemeinerung dessen, was in den 1920er und 1930er Jahren die zum Teil sehr unterschiedlichen Formen des Faschismus charakterisiert hat. Gossweiler spricht von 50 faschistischen Bewegungen, die es in 20 Ländern Europas im Jahr 1936 gegeben hat.

Dimitroff wusste sehr genau, dass dies keine Universalformel, kein Schema zur Welterklärung ist, sondern eine Aufforderung genauer hinzusehen und konkret zu untersuchen für einzelne Länder und einzelne Bewegungen, welches Finanzkapital (in- oder ausländisches Finanzkapital), welche besonders aggressiven Elemente in diesem jeweiligen Finanzkapital vorhanden sind und wie es sich konkret, in konkreten Ländern, in konkreten Zeiträumen „reaktionär, chauvinistisch, imperialistisch“ ausprägt. Und dass dann das jeweils Besondere im Allgemeinen herauszuarbeiten ist. Denn nur wenn wir ein Phänomen auf den richtigen „Begriff“ bringen, wenn wir verstanden haben, was vor sich geht, können wir organisiert, erfolgreich „begreifen“ und eingreifen, können wir den F. bekämpfen und besiegen.

Das gilt umso mehr für das zweite Kriterium zur Begriffsbestimmung des F. – nachdem die Klassenbasis erkannt ist. Der F. ist die Ablösung einer bürgerlichen Staatsform durch eine andere. Dimitroff: „Der Machtantritt des Faschismus ist keine einfache Ersetzung der einen bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern eine Ablösung der einen Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie – der bürgerlichen Demokratie – durch eine andere Form – durch die offene terroristische Diktatur.“ Dies ist auch bemerkenswert, weil von der KI bereits 1935 die Besonderheit des Faschismus gekennzeichnet wurde, noch bevor er seine ganze Ungeheuerlichkeit in praxi entfaltet hatte: den Weltkrieg gegen den Sozialismus, den Weltkrieg um die Neuaufteilung der Welt unter die imperialistischen Großmächte, den Vernichtungsfeldzug gegen die slawischen Völker und die industrielle Massentötung der Juden, der Sinti und Roma in Gang gesetzt hatte.

Was sind die Kriterien für faschistische Parteien und Massenbewegungen und Bedingungen ihres Entstehens

Dazu schreibt uns Kurt Gossweiler (Hervorhebungen CoR)

  1. Die Entschlossenheit der maßgeblichen Kreise der herrschenden Klasse zur Beseitigung des Parlamentarismus, zur Vernichtung (nicht nur Bekämpfung – CoR) der Arbeiterbewegung durch Errichtung einer faschistischen Diktatur.
  2. Die materielle und politische Unterstützung durch Vertreter des Monopolkapitals und – falls vorhanden – des Großgrundbesitzes (heute z.B. auch die Bau- und Immobilienwirtschaft[2] – CoR.)
  3. Die Begünstigung der faschistischen Bewegung und ihres Terrors durch die Staatsorgane und die traditionellen Rechtsparteien.
  4. Eine ökonomische und politische Krise, die zum massenhaften Ruin und zur Deklassierung zahlreicher Angehöriger der Mittelschichten, zu deren Abwendung von den alten bürgerlichen Parteien und zur Suche nach einem Retter aus der ausweglosen Situation führt.
  5. Eine Arbeiterklasse, die infolge ihrer Spaltung dem Faschismus nicht machtvoll und geschlossen entgegentreten und deshalb auf die Mittelschichten auch keine Anziehungskraft ausüben kann als Bundesgenosse gegen die Offensive des Monopolkapitals.
  6. Die Wirkung solcher Bedingungen wird noch erheblich verstärkt, wenn zu ihnen auch noch nationale Probleme hinzukommen, die sich auf die Lebenslage der Massen negativ auswirken und von den Faschisten in demagogischer Weise ausgenutzt werden können.“

(K. Gossweiler, Ursprünge, Funktion und Erfolgsbedingungen faschistischer Bewegungen, in: Aufsätze zum Faschismus, Bd. 2, Köln 1988, S. 531 f.)

Die genannten Kriterien sollen jetzt auf die zweite Frage angewendet und auf ihre Tauglichkeit geprüft werden.

 

2) Ist die AfD eine faschistische oder präfaschistische Partei?

Nach den ersten drei Kriterien: Vernichtung der Arbeiterbewegung, Unterstützung durch Teile des Monopolkapitals/Großgrundbesitzes, Begünstigung durch Staatsorgane und Rechtsparteien erhalten wir zahlreiche Hinweise,

  • dass Teile der AfD bereit sind – allerdings noch verdeckt – als Bürgerkriegstruppe zur Vernichtung der Arbeiterbewegung zu fungieren. Stichworte uniter, Zentrum Automobil (Oliver Hildburger);
  • dass einige Großspender, allerdings nicht aus den Kernbereichen des Finanzkapitals, die AfD unterstützen;
  • dass der Staat und einzelne Staatsorgane diese Partei begünstigen, obwohl sie doch angeblich offen die heilige „FDGO“ bekämpft.

Können wir uns also beruhigt zurücklehnen, weil offenbar die herrschende Klasse noch lieber sich von den herkömmlichen Parteien bedienen lässt? Weil sie noch darauf setzen können, dass die SPD-Führung mit Ausflüchten wie „Sozialpartnerschaft und „Kleineres Übel“ die Arbeiterklasse ruhigstellen wird, während sie gleichzeitig das Geschäft des Abbaus demokratischer Rechte, der Aufrüstung, der Kriegsertüchtigung, der Hetze gegen Russland und China betreibt? Können wir das? Mitnichten.

Kommen wir zu Kriterium 4. Wir haben eine andauernde ökonomische Krisensituation, die seit der Katastrophe von 2007/2008 nicht mehr wirklich über sporadische Belebungen hinaus zu einem anhaltenden Aufschwung gekommen ist. Die Reichen werden immer reicher, die Verelendung schreitet voran. Tragende Industriezweige wie Stahl und Automobil sind ins Wanken gekommen. Viele Anzeichen sind unübersehbar für weitere Einbrüche nicht zuletzt im Finanzsektor. Die Lieferketten werden immer brüchiger gemacht, der Kampf um die Rohstoffquellen und der Handelskrieg sind in vollem Gang – entsprechend lauteres Dröhnen der Kriegstrommeln. Um aus der Krise herauszukommen, dazu brauchen sie die Aufrüstungsbillionen und zur Rechtfertigung den von ihnen angezettelten Krieg in der Ukraine, die Bedrohungslüge, die Russophobie. Wenn aber die „bewährten“ Kräfte aus der Sozialdemokratie wie Klingbeil, Pistorius und Co nicht ausreichen sollten, um die Deutschen wirklich „kriegstüchtig“ und „abschreckend“ zu machen. Wenn mit „Sozialpartnerschaft“ und „Burgfrieden“, wie wir es auch schon einmal hatten, kein „Ruck“ und „Wumms“ durchs Land geht, dann brauchen sie den Faschismus. Dann brauchen sie auch eine faschistische Partei und Bewegung, die das immer noch in seiner Mehrheit kriegsmüde, lustlose deutsche Volk in die Uniformen und Kasernen peitscht. Dazu treibt, Blut zu geben für Öl, seltene Erden, für Lebensraum im Osten und was sonst noch auf dem Wunschzettel der Maximalprofitler und Weltmachtstreber steht.

Für diese Option wurde die AfD als „neue“ Partei konzipiert. Die AfD ist Ausprägung einer scheinbar neuen Parteiform, die in den 2000er Jahren aus dem relativen Scheitern der offenen faschistischen Parteien in Westeuropa entwickelt wurde und verfälschend (weil klassenunspezifisch) als „populistisch“ bezeichnet wird. Der Hintergrund ist die Niederlage des Sozialismus in Europa und die Einverleibung der DDR durch den deutschen Imperialismus.

Damit war aus der Sicht der herrschenden Klasse eine der Notwendigkeiten entfallen für die Existenz offen faschistischer Parteien als Reserve gegen das sozialistische Lager und den „roten Feind“ im Innern. Stichworte: Gladio, Stay Behind … Der Antikommunismus als probates Bindemittel der Faschisten mit dem konservativen Lager verlor fürs Erste an Bedeutung. Der Widerstand gegen die Einverleibung der DDR wurde durch die PDS-Führung gezähmt. Mit der Migration von über 4 Millionen DDR-Bürgern nach Westdeutschland wurde die Plünderung und Zerstörung der DDR-Wirtschaft aufgefangen. Scheinheilig lassen unsere Herrschaften sich wundern, dass in Ostdeutschland die Rechtskräfte erstarken. Wundern? Mit der Treuhand die DDR als einmal zehntgrößtes Industrieland der Welt ausgeplündert und in eine Halbkolonie in einem neuen Staat verwandelt, die Arbeiter zu Erwerbslosen gemacht, zur Migration getrieben, ihre Lebensleistung als Beitrag für ein Unrechtsregime diffamiert, ihr Staat als vergleichbar dem Naziregime hingestellt, das Führungspersonal der DDR, die Intelligenz vielfach bestraft und erniedrigt.

Das ist die Demütigung, die Deklassierung eines ganzen Volks, nicht nur der Mittelschichten. Darin ist eingeschlossen die Einverleibung der DDR als nationales Problem (s. Kriterium 6): die Einverleibung, die bis heute die Benachteiligung von Ost gegenüber West konserviert, die Ungleichheit vor dem Gesetz zur Grundlage der Größer-BRD gemacht hat. Aber auch der DDR-Geist, der noch immer nicht ausgetrieben ist, nicht zuletzt die Freundschaft mit Russland; immerhin waren 6 Millionen Mitglieder in der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft (DSF), die Erziehung zum Antifaschismus und internationalistischer Solidarität.

Das musste und muss den Menschen im Osten ausgetrieben werden. Deswegen wurden schon 1990 Nazi-Kader in den Osten – an Rostock sei erinnert –  geschickt, den Hass auf Fremde schüren. Denn das war und ist der Arbeitsauftrag: Die Arbeiterklasse zu spalten, bloß nicht auf internationalistischer Grundlage zusammenkommen lassen, Feindbilder schaffen nach Innen und Außen, um vom Unrechtsregime der Milliardäre abzulenken.

Bis heute ist die Arbeiterklasse in Ost und West gespalten. Die Arbeiterklasse Ost ist von Gewerkschaftsführungen West im Stich gelassen und verkauft worden, von Bischofferode bis zuletzt bei der großen Streikniederlage um die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland 2003. Von den Spaltungen unter uns Linken, Kommunisten, Sozialisten will ich gar nicht sprechen. Machtvolles geschlossenes Auftreten (Kriterium 6) und Anziehungskraft gegenüber den Mittelschichten ergibt sich daraus nicht. Und von den Medien wird die Niederlage der Arbeiterklasse geradezu kultiviert, der Sozialismus diskreditiert, der nicht in der Lage war, seinen ersten Staat auf deutschem Boden zu verteidigen.

Das ist der Hintergrund für den Aufstieg der AfD im Osten. Die von den nicht blühen-wollenden Landschaften Enttäuschten, vom Abwirtschaften der Parteien, die das versprochen hatten, die einzubinden, aufzufangen und auszurichten, dazu wurde die AfD aufgestellt. Im Westen waren bei Gründung der AfD zunächst die Kleinbürger im Fokus, die von Europa und Euro enttäuscht, reaktionär „Deutschland zuerst“ einforderten. Heute zielt die AfD mit der Migrantenhetze (auch ein „nationales Problem“ s.o.) auf das Prekariat, also vom Abstieg ins Elend Bedrohte aus allen Klassen. Darauf zielt die AfD –  Um was zu machen? Um einerseits das politische Klima weiter nach rechts zu treiben. Durch den Fremdenhass die wirklichen Volksfeinde, den Klassenfeind aus der Schusslinie zu nehmen und schließlich um eine Massenbasis zu schaffen, um auch eine schwache Arbeiterbewegung zu vernichten und den Weg zu bereiten für die neuerliche Kasernierung und Kriegsbereitschaft Deutschlands. Dabei ist sie ein offenes Sammelbecken für Faschisten, bei denen die AfD eine sichere Bank ist, von der aus man durch demagogisches Aufgreifen von Sorgen und Nöten der Bevölkerung nicht nur in die deklassierten Schichten des Bürgertums, sondern auch der Arbeiterklasse eindringen will. Das ist das Neu/Alte der AfD und solcher Parteien wie dem Rassemblement National, der Meloni-Partei, der Wilders-Partei u.a. Sie ist Partei und Bewegung, um das politische Klima nach rechts zu treiben und die Optionen für den Faschismus offen zu halten, wenn die Sozialdemokratie und die bürgerlichen Parteien die Militarisierung, den reaktionär-militärischen Staatsumbau nicht hinreichend durchsetzen können.

Wir sollten nicht noch einmal Fehler der Vergangenheit machen und uns lange Gefechte liefern, ob der Hauptstoß gegen die jeweilige Regierung und die sie tragenden Parteien zu führen ist und wann er ggf. gegen die Faschisten gerichtet werden müsste. Wir müssen es doch heute schaffen, die Maßnahmen der sozial-schwarzen Regierung anzugreifen und dabei herausstellen, dass damit der AfD und allen in die Hände gespielt wird, die den Faschismus brauchen und sich für ihren Ernstfall vorbereiten. Dass gerade die SPD-Führung dadurch sogar den Weg bereitet für ihren eigenen Untergang. Denn wer Krieg vorbereiten hilft, hilft auch zur Vorbereitung des Faschismus, hilft zur Stärkung der AfD als Sammelbewegung für eine faschistische Massenbasis.

 

3) Sind Erkenntnisse aus der Entstehungszeit des Faschismus Anfang des 20. Jahrhunderts nur von historischem Wert oder auch heute noch nutzbar?

Die grundlegenden ökonomischen Strukturen sind seit damals unverändert bzw. seit 1989/92 restauriert: Bis hin zu Kontinuitäten in der Eigentümerhistorie der Quandt, Siemens, Porsche usw. Der Grundwiderspruch des Kapitalismus von Vergesellschaftung der Produktion in weltweitem Ausmaß und privater Aneignung ist weiterhin die Triebkraft der Entwicklung und hat sich durch die Entwicklung der Denkzeugmaschinen (Stichworte Mikrochips, KI) weiter zugespitzt. Der Imperialismus beherrscht nach wie vor die Welt, die Großmächte unter der Führung des US-Imperialismus haben die Welt untereinander aufgeteilt. Deutschland ist wie damals besonders abhängig von Rohstoffzufuhr und offenen Exportmärkten. Die allgemeine Krise, die Krisenhaftigkeit und damit die Unsicherheit der Existenz wachsen an. Und dagegen gibt es stärker werdenden Widerstand, der sich damals um die Sowjetunion, heute um die VR China und die Russische Föderation gruppiert. Wir leben wie in den 1930er Jahren in einer Epoche der Kriege und Revolutionen.

Neu ist – ohne Anspruch auf Vollständigkeit -, dass es erstmals in der Geschichte ein Riesenland gibt wie die Sowjetunion/Russland, in dem der Sozialismus gesiegt hatte und das nach der Niederlage von 1989/92 in ein Stadium des Übergangs, der Transformation eingetreten sind – mit noch ungewissem Ausgang. Es ist von daher platt und irreführend, Russland einfach als kapitalistisches, gar als imperialistisches Land abzuqualifizieren und es auf eine Stufe mit der NATO und ihren aggressiven Führungsmächten zu stellen (Äquidistanz).

Neu ist auch, dass damals der US-Imperialismus noch im Aufstieg zur imperialistischen Führungsmacht war, heute aber deutliche Anzeichen des Niedergangs und der Neigung zum Abenteurertum zeigt. Anders ist auch der Aufstieg der VR China aus einem damals halbkolonialen, halbfeudalen Armutskoloss zu einer führenden prosperierenden auf dem Weg zum Sozialismus fortschreitenden Nation und Großmacht. Neu ist auch, dass Deutschland gegenüber damals weltweit gesehen eine Gläubigernation ist, nicht mehr wie damals eine Schuldnernation mit einer enormen Last von Reparationen. Neu ist die Existenz eines relativ stabilen Staatenbündnisses wie die EU, das sich je mehr es sich zu Vereinigten Staaten von Europa mausert, desto reaktionärer wird (wie von Lenin 1915 vorhergesagt). Neu ist natürlich auch, dass die Arbeiterbewegung damals durch die Oktoberrevolution einen grandiosen Aufschwung erlebte, während wir heute noch an den Folgen der großen Niederlage von 1989-92 laborieren in Verbindung mit einer doch fast 70jährigen Periode des imperialistischen Friedens in Europa.

Die Erkenntnisse aus der damaligen Zeit ergeben jedoch keine Universalformel mit Ewigkeitsanspruch, schon gar nicht das Schema F als Handlungsanleitung, sondern Anregung zur konkreten Analyse unserer heutigen konkreten Situation.

Ich halte es mit Hanns Eisler: „Man muß historisch denken. Dann wird es uns vielleicht nicht besser gehen, aber wir werden schärfer sehen.

 

4) War der Faschismus als Massenbewegung eine rein historische Bewegung in einer bestimmten Zeit oder wird er weiterhin vom Kapital für Krisen benötigt?

Kurt Gossweiler formulierte das – in einer Auseinandersetzung mit mir so: „Wir deutschen Kommunisten waren damals, 1932/33, überzeugt davon, es sei die Furcht der herrschenden Klasse vor der sonst unausweichlichen proletarischen Revolution, die sie zum Faschismus als letzte Rettung vor Sowjetdeutschland greifen ließ.

Diese Ansicht herrschte auch in der Kommunistischen Internationale vor und fand ihren Niederschlag gleich am Anfang des Referats von Georgi Dimitroff auf dem VII. Weltkongress mit der Feststellung, die Bourgeoisie greife zum Faschismus, weil sie ‚nicht mehr im Stande ist, die Diktatur über die Massen mit den alten Methoden der bürgerlichen Demokratie und des Parlamentarismus aufrechtzuerhalten.‘ Meine späteren Forschungen haben mir aber gezeigt, dass diese Einschätzung auf einer Überschätzung der eigenen, der revolutionären Kräfte, und einer Unterschätzung der Möglichkeiten der herrschenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft auch ohne Errichtung der faschistischen Diktatur beruhte. Wenn ihre entscheidenden Kräfte dennoch zielstrebig auf eben dieses Ziel hinarbeiteten, dann nicht, weil dies die einzige Alternative zur Erhaltung ihrer Herrschaft gewesen wäre, sondern weil ihr Ziel, das sie seit 1918 nie aus dem Auge gelassen hatte – eine zweite, besser vorbereitete Runde im Kampf um die Weltherrschaft – nur durch radikale Ausschaltung jeglichen Widerstandes im Innern, also vor allem durch die Vernichtung der legalen Organisationen der Arbeiterbewegung, zu erreichen war. … die aggressivsten Kreise der deutschen Monopolbourgeoisie übergaben die Macht an die deutschen Faschisten, weil sie alleine in ihr die Kraft sahen, die entschlossen und fähig war, radikal und ohne jegliche Hemmungen alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die Widerstand leisten könnten gegen die forcierte Vorbereitung und die Auslösung des nächsten Krieges um die Eroberung der Weltherrschaft.“ (KAZ 308)

5) Wie kann die Bündnispolitik der Freidenker aussehen, insbesondere in der Friedensfrage – und wieviel Offenheit nach links bzw. rechts ist hier denkbar?

Das kann ich nur aus meiner Sicht als Kommunist umreißen. Ob daraus und ggf. welche Schlussfolgerungen zu ziehen sind, ist Sache des Verbands.

Bündnispolitik stellt folgende Fragen und antwortet darauf:

Ausgehend von der Aufgabe, selbst den stets brüchigen imperialistischen Frieden zu verteidigen und die Überreste der bürgerlichen Demokratie, anders ausgedrückt Krieg und Faschismus zu verhindern, ist zu klären, welche Klassenkräfte für die Erfüllung dieser Aufgabe in Frage kommen. Die Kommunisten haben dies seit den 1920er Jahren und dann besonders auf dem VII. Weltkongress der KI stets beantwortet mit: „Die Verhinderung des Sieges des Faschismus hängt vor allem von der Kampfaktivität der Arbeiterklasse selbst ab, vom Zusammenschluß ihrer Kräfte zu einer einheitlichen, gegen die Offensive des Kapitals und des Faschismus kämpfenden Armee.

Dann ist zu klären, was das Haupthindernis in der Arbeiterklasse (und dann bei den möglichen Bündnispartnern) ist, um zu einer Einheit im Kampf zu kommen.

Als Haupthindernis wird dabei die Arbeiteraristokratie gesehen, die sich im Imperialismus in Sozialpartnerschaft eingerichtet hat und in der Sozialdemokratie (verschiedener Strömun­gen) ihren politischen, ideologischen (reformistischen, opportunistischen) Ausdruck gefunden hat. Den Einfluss des Sozialdemokratismus, der Politik der Klassenversöhnung, des Bündnisses mit der eigenen Bourgeoisie, des Standortnationalismus und der Unterordnung unter angeblich gemeinsame nationale Interessen, letztlich stehenzubleiben beim Markten um den Preis der Arbeitskraft statt einzutreten für die Abschaffung des Lohn- bzw. Profitsystems. – diesen Einfluss zurückzudrängen ist die Aufgabe der Bündnispolitik in der Form der Aktionseinheit, Einheitsfront, Volksfront oder wie auch immer wir das in der Zukunft nennen werden. Einheit im Kampf ermöglicht es, die Kolleginnen und Kollegen einzubezie­hen und im Kämpfen zu erfahren, was und wer der Durchsetzung ihrer Interessen nützt. Auf diese Faktoren haben wir Bündnispolitik zu konzentrieren statt auf Gedankenspiele, welche Partei uns näher oder ferner steht oder welche Love Parade gerade lauter schreit.

Das heißt: Konzentrieren auf die Arbeiterklasse und auf die größte Klassenorganisation, die Gewerkschaft. Im Kampf gegen die wachsende Gefahr von Faschismus und Krieg die Politik der Klassenversöhnung mit der Bourgeoisie und der Klassenspaltung mit ausländischen KollegInnen (auch wenn sie erst zur „industriellen Reservearmee“ zählen) überwinden. Das Ziel ist dabei zunächst, die Arbeiterklasse aus dem Block mit der NATO herauszuführen. Ohne dass wir das erreichen, ist der Kampf gegen den Krieg nicht zu gewinnen. Es wird bei Protesten bleiben – sogar massenhaft -, aber die Bourgeoisie wird es leicht haben darüber hinweg zu gehen.

Dimitroff: „Ist es möglich, diese Aktionseinheit des Proletariats in den einzelnen Ländern und in der ganzen Welt zu verwirklichen? Jawohl, es ist möglich, und es ist sofort möglich. Die Kommunistische Internationale stellt für die Aktionseinheit keinerlei Bedingungen, mit Ausnahme einer einzigen, elementaren, für alle Arbeiter annehmbaren Bedingung, und zwar, daß die Aktionseinheit sich gegen den Faschismus, gegen die Offensive des Kapitals, gegen die Kriegsgefahr, gegen den Klassenfeind richtet. Das ist unsere Bedingung.“

In der Bündnispolitik gelten auch die Gesetzmäßigkeiten von Attraktion und Repulsion. Wenn wir auf bestimmte Teile des politischen Spektrums zugehen, stoßen wir andere ab. Wenn wir die Massen von sozialdemokratisch beeinflussten KollegInnen gewinnen wollen, dürfen wir keine Bündnisse mit Linkssektierern oder Faschisten eingehen. Und machen wir uns keine Illusionen, die Masse der KollegInnen steht unter sozialdemokratischem Einfluss, auch wenn sie nicht mehr SPD wählen. Man kennt die Sprüche: Zusammenarbeit mit dem Kapital ist notwendig, den Ast nicht absägen, auf dem man sitzt, Zusammenstehen gegen die internationale Konkurrenz, „wir“ brauchen billige Rohstoffe … Und die Gewerkschaften sind immer noch ganz überwiegend fest in der Hand und geführt von SPD-Mitgliedern. Das ist zwar manchmal zum Verzweifeln, aber unvermeidlicher Ausgangspunkt für wirklichen und ernsthaften Kampf um Frieden und Demokratie, den wir nicht nur führen, sondern gewinnen müssen.

Die Freidenker haben dabei ihr Klientel nicht in erster Linie in den Gewerkschaften. Sie dürfen aber keinesfalls die Verbindung dazu verlieren. In Zeiten, wo der Einfluss der Sozialdemokratie zu sinken scheint und die Reaktionäre und Faschisten im Aufwind sind, sollten wir als Linke besonders vorsichtig sein, im rechten Lager Bündnisse anzustreben.

Allerdings und genauso wichtig: Bündnisarbeit ist Bewegung, bedeutet: Heran an den Feind und dabei Freunde sammeln. Vor allem der eigenen Selbstberuhigung dient dabei das Errichten von „Brandmauern“, von beschwörenden Tabus. Natürlich gehört zum Vorwärtsgehen auch der Rückzug, beide Formen müssen wir beherrschen. Aber Brandmauern lassen die Ursachen des Feuers und die Brandstifter in einer Parallelwelt überleben, selbst wenn das augenblickliche Übergreifen des Feuers ins Wohnzimmer nochmal abgehalten werden konnte. Brandmauer ist passiv, bedeutet nicht, den Feind anzugreifen, sondern sich selbst zu isolieren. Der VII. Weltkon­gress hat demgegenüber vor allem die Einheits- und Volksfront als Formen des aktiven Handelns herausgestellt.

Auf Nazis muss man zugehen – Berührungsängste sind im Klassenkampf nirgends hilfreich – meist organisiert entgegentreten. Dazu hatte die KPD damals militante Verbände wie denn RFB, die Antifaschistische Aktion, die Scheringer Staffeln u.a. Manchmal auf ihren Versammlungen auftreten wie Walter Ulbricht und Genossen, manchmal im Einzelgespräch, um die soziale und nationale Demagogie auseinanderzunehmen, manchmal als Betriebsrat, um sie heute z.B. nach § 75 BetrVG aus dem Betrieb zu befördern, manchmal im Wohngebiet, um von ihren Plänen zu erfahren.

 

6) Frieden, Arbeiterklasse und Klassenkampf: Wo bestehen Ansatzpunkte für eine fortschrittliche Arbeit der Freidenker zur sinnvollen Verbindung dieser Themen?

Im Vordergrund steht der antimilitaristische Kampf gegen die Aufrüstung und die Kriegsvorbereitung. Dabei sind in Berlin als Schwerpunkte erkennbar: Wehrpflicht, Militarisierung im Gesundheitswesen, im Bildungswesen an Schulen und Hochschulen. In den und mit den Gewerkschaften entsprechende Initiativen unterstützen. Berliner Appel als bewährter Einstieg zur Mobilisierung.

Im Kampf gegen den Faschismus gibt es auch genügend Möglichkeiten, uns gegen Rechts zu positionieren, gegen die AfD und die CSU z.B. bei den Kommunalwahlen in BY 2026: In Berlin bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September 2026. Zur AfD steht dabei an: das neoliberale Programm und der Sozialabbau, die zwiespältige Haltung zur Wehrpflicht, zur Sowjetunion und zu Russland, das Arschkriechen bei Trump und Musk, die Liebedienerei gegenüber Israel – insgesamt die Entlarvung der sozialen und nationalen Demagogie dieser Partei als das offene Sammelbecken von Faschisten. Dagegen die Aktionseinheit in Betrieb, Gewerkschaft und auf der Straße herzustellen, um die Politik der herrschenden Klasse zur Militarisierung zu treffen und um die Linkskräfte im Kampf um die sozialen und demokratischen Rechte zu stärken, das ist die Aufgabe.

Danke für Eure Aufmerksamkeit.

 

Der F. ist die Negation der bürgerlichen Demokratie (und das ist verhüllte Diktatur der Bourgeoisie, des Finanzkapitals).

Der F. ist die offene terroristische Diktatur der aggressivsten Elemente des Finanzkapitals. Die Negation der Negation ist die proletarische Diktatur.

 

„ideozentrische Theorien“

„So notwendig es war“, sagte Pieck auf der Brüsseler Konferenz der KPD, „daß wir den schärfsten Kampf führten gegen die Politik der Klassenzusammenarbeit der Sozialdemokratie mit der Bourgeoisie, gegen die Preisgabe der Interessen der Arbeiterklasse zugunsten der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Klassenherrschaft, gegen den Terror, den die Sozialdemokratie als Regierungsmacht gegen die revolutionären Arbeiter zur Unterdrückung ihrer Bewegung anwandte, also den Hauptstoß gegen diese Politik richteten, so hätten wir doch bei einer richtigen Analyse der Lage und der Klassenkräfte die Veränderungen bemerken müssen, die in dieser Zeit vor sich gingen, in der die faschistische Gefahr immer stärker in den Vordergrund trat. Wir hätten also unseren Kampf gegen die Sozialdemokratie in ein richtiges Verhältnis zu dem Kampf gegen den angreifenden Faschismus bringen müssen. Das ist nicht geschehen, und darin liegt unser schwerster Fehler bei der Ausarbeitung unserer politischen Linie. . . . Eine Taktik, die zu einer bestimmten Zeit richtig war, wurde auch dann fortgesetzt, als die Bedingungen des Kampfes andere wurden. Wir richteten unseren Hauptangriff gegen die Sozialdemokratie noch in einer Zeit, in der wir den Hauptangriff gegen die faschistische Bewegung hätten richten müssen.“ (Die Brüsseler Konferenz, S. 76 f.)

 

 

„Die sozialdemokratische Geschichtsschreibung führt zur Rechtfertigung der Tatsache, daß die sozialdemokratische Parteiführung und die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer alle kommunistischen Angebote zu gemeinsamer Aktion auch in der letzten Phase der Weimarer Republik ablehnte, mit Vorliebe die Haltung der KPD beim preußischen Volksentscheid im Sommer 1931 und den Berliner Verkehrsarbeiterstreik vom November 1932 an – als Beispiel für ein angebliches Zusammengehen der Kommunisten mit den Nazis. Nun war die taktische Stellung der KPD beim preußischen Volksentscheid 1931 tatsächlich ein schwerwiegender Fehler, der durch den Einfluß der sektiererischen Gruppe um Neumann im Zentralkomitee und durch führende Vertreter der Kommunistischen Internationale (Stalin, Molotow) zustandekam. Die KPD hatte sich zunächst entschieden gegen das von Deutschnationalen und Nazis eingeleitete Volksbegehren und gegen den Volksentscheid zur Auflösung des preußischen Landtags gewandt. Paul Schwenk und andere kommunistische Abgeordnete waren im preußischen Landtag gegen das Manöver der Rechtsparteien aufgetreten. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale setzte gegen die vom Politbüro des Zentralkomitees der KPD bereits beschlossene Ablehnung der Teilnahme am Volksentscheid die Änderung dieses Beschlusses durch. Die gesamte sozialdemokratische und bürgerliche Geschichtsschreibung verschweigt aber, und dies muß hinzugefügt werden, daß die KPD vor der Abstimmung einen Brief an die sozialdemokratisch geführte Preußenregierung richtete, in dem sie vier Forderungen zum Kampfe gegen den Faschismus und im Interesse des arbeitenden Volkes vorschlug, von deren Beantwortung sie ihre Entscheidung für oder gegen den Volksentscheid abhängig machte. Der sozialdemokratische Innenminister Carl Severing lehnte es im Namen der preußischen Regierung ab, auf „Bedingungen“ auch nur einzugehen.

Ganz anders aber verhält es sich im Falle des Berliner Verkehrsarbeiter-Streiks. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf eines „Zusammengehens“ der Kommunisten mit den Nazis, der unzählige Male wiederholt wurde, kann keiner ernsthaften Prüfung der historischen Tatsachen standhalten, und er ist obendrein seit 1975, seitdem nämlich die Protokolle der Beratungen leitender Gremien der SPD 1932-1933 veröffentlicht wurden, durch die zeitgenössischen sozialdemokratischen Zeugnisse selbst ad absurdum geführt worden.“ (Schleifstein)

 

[1] Gegenüber auch den Theorien, die den Faschismus abhängig machen von einer Massenbasis. Kurt Gossweiler unterscheidet z.B. Massenpartei-Faschismus, Militärfaschismus und Klerikalfaschismus (Faschismus und antifaschistischer Kampf, Frankfurt 1978, S. 22). Oder auch den Theorien, die Faschismus an bestimmten Ideologien („ideozentrisch“) festmachen. „Eingebürgert“ hat sich auch die Bezeichnung „autoritär“ ähnlich wie früher „totalitär“ zur Bezeichnung von Regierungen, Staaten, Ländern. Damit soll ein Begriff gefunden werden, der von der Klassenbasis der jeweiligen Herrschaftsform abstrahiert. Diktaturen von Klassen, die die Bourgeoisie loswerden wollen, sollen gleichgesetzt werden den Diktaturen der Bourgeoisie bzw. der Monopolbourgeoisie.

[2] Aus der Immobilienwirtschaft bekannte Großspender waren z.B. Henning Conle, Winfried Stöcker, der sich auch im Gegensatz zur Impfskepsis der AfD als Erfinder eines (nicht geprüften) Corona – Impfstoffs präsentiert hat und wegen unerlaubten Impfens damit bestraft wurde. Der Berliner Immobilienunternehmer Christian Krawinkel, der Bauunternehmer und Bauträger Hartmut Issmer. Aus anderen Millionärskreisen: Heinrich Weiss, ehem. Präsident des BDI (SMS-Group), August von Finck jr. (klassischer Großgrundbesitz sowie Bank- und Versicherungswirtschaft)